Interview: Nachhaltigkeit in der Deutschen Eishockey Liga

„Die Verantwortung, die wir für unseren Sport und die Gesellschaft haben, geht über die Schlusssirene des dritten Drittels hinaus“, sagt Jörg von Ameln von der Deutschen Eishockey Liga. Im Interview gewährt der Leiter Spielbetrieb und Nachhaltigkeit Einblicke in die Nachhaltigkeitsstrategie der Liga, verdeutlicht den Stellenwert einer strategischen Nachhaltigkeitsausrichtung von Spororganisationen und benennt Chancen und Herausforderungen des Wandels.

Warum ist es für die Deutsche Eishockey Liga wichtig, sich beim Thema Nachhaltigkeit zu engagieren?

Die Zukunft unseres Sports und damit auch der Penny DEL kann nur im Einklang mit gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen gestaltet werden. Die PENNY DEL ist Teil der Gesellschaft und muss sich anpassen, um zukunftsfähig zu bleiben. Bereits im Jahr 2019 haben wir eine Zukunftsstrategie (#teildesspiels) entwickelt, allerdings das Thema Umweltschutz nur am Rande betrachtet. Drei Jahre später haben wir dann aufbauend auf #teildesspiels eine „echte“ Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt.

Wir glauben weiterhin an unser Geschäftsmodell “Profi-Eishockey auf Eis“ zu spielen. Die entscheidende Frage ist, wie wir es schaffen, dass in 100 Jahren noch DEL Eishockey gespielt wird. Wir haben durch unsere Nachhaltigkeits- und Zukunftsstrategie, DEL4,  einen Weg gefunden, um unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und den Eishockeysport weiter zu fördern.

Die Clubs der Liga haben einem Transformationsprozess mit dem Ziel gestartet, eine nachhaltige Unternehmensführung (nachhaltige Gesamtstrategie) zu erreichen.

 

Eishockey Liga Spiel

Foto: Marco Leipold / City-Press GmbH Bildagentur

 

Welche Verantwortung trägt eine Liga für die Nachhaltige Entwicklung ihrer Sportart bzw. ihrer Sportvereine?

Die Clubs der PENNY DEL sind Gesellschafter der Liga, daher sind die Clubs die Liga. Somit ist das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ein selbtsgewählter und -gewollter Weg in die Zukunft.

Unsere Gesellschafterversammlung hat im September 2022 eine Kommission für Nachhaltigkeit gewählt, die sich intensiv mit der Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie beschäftigt.

Unsere Nachhaltigkeits- und Zukunftsstrategie, die zugleich klar, konkret und ambitioniert ist, dient der PENNY DEL als Ganzes wie auch den Clubs als Orientierungsrahmen, öffnet dabei den individuellen Ansätzen und Interessen notwendigen Entfaltungsspielraum. Die Umsetzung erfolgt im Konsens sowie in einem Stufensystem über zeitliche Staffelungen sowie freiwillige, selbstverpflichtende und verpflichtende Elemente.

Welche Elemente sind in diesem System Pflicht?

Wir haben eine Menge verpflichtender Elemente zum Bestandteil des Lizenzierungsverfahrens für die Clubs gemacht. So muss der Gesellschaftsvertrag jedes Clubs einen relevanten Abschnitt zur nachhaltigen Unternehmensführung enthalten, es muss eine individuelle NH-Strategie erstellt werden, die sich thematisch an „DEL4“ orientiert. Diese Strategie muss spätestens im September 2024 veröffentlicht werden. Darüber hinaus muss eine THG Bilanzierung (nach Vorgaben der Liga, GHG Protocol Standard) erfolgen, und basierend darauf ein Reduktionspfad erstellt werden. Ein*e qualifizierte*r Nachhaltigkeitsverantwortliche*r muss ebenfalls benannt werden. Die Nachweise über die vorgenannten Themen müssen zwingend zur Lizenzprüfung im Juni 2024 dem Lizenzprüfer vorgelegt werden. Ausnahmen lassen wir nicht zu.

 

Auf dem Eis spielen die Clubs gegeneinander, bei Nachhaltigkeit setzen sie aufs Miteinander. (Foto: Moritz Eden / City-Press GmbH Bildagentur)

 

Welche konkreten Handlungsfelder im Bereich Nachhaltigkeit hat sich die DEL gesetzt?

Die Verantwortung, die wir für unseren Sport und die Gesellschaft haben, geht über die Schlusssirene des dritten Drittels hinaus. Wir nennen unsere Strategie deshalb: “DEL4 – DAS VIERTE DRITTEL“.

Wir haben darin vier Handlungsfelder definiert, in denen wir als PENNY DEL gemeinsam mit unseren Clubs konkret handeln:

  • Für die Integrität des Spiels (DEL4FAIRPLAY). Die Integrität des Spiels ist unser oberstes Gut. Hier gehen wir seit Jahren voran. Über Kooperationen mit externen Institutionen schützen wir unseren Wettbewerb vor Manipulationen jeglicher Art und sorgen auch für faire wirtschaftliche Bedingungen abseits des Spielfeldes.
  • Für den Nachwuchs (DEL4YOUTH). Im Nachwuchs liegt die Zukunft unseres Sports. Unser Ziel ist es, möglichst viele junge Menschen vom Eislaufen und Eishockey zu begeistern und über die Begegnung mit unserem Sport weitere Werte und Inhalte zu vermitteln.
  • Für unser Miteinander (DEL4ALL). Wir sind so vielfältig wie unsere Clubs mit ihren Fans und Regionen, für die wir gemeinsam Verantwortung übernehmen. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit allen Clubs und Fans eine klare Haltung zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen zu entwickeln. Wir stehen klar für Diversität und gegen Diskriminierung jeglicher Art.
  • Für unsere Umwelt (DEL4NATURE). Wir wissen um unseren eigenen Fußabdruck und übernehmen dafür konkret Verantwortung – für unsere Kinder, die Zukunft nachfolgender Generationen sowie auch für uns als Sportart. Unser Ziel ist es, Aufmerksamkeit für unsere ökologischen Herausforderungen zu schaffen, unseren Fußabdruck signifikant zu senken und setzen uns für den Erhalt unserer Artenvielfalt ein.

 

Eishockey Liga Strategie

Die Handlungsfelder und Zielsetzungen der Strategie finden sich auf einer eigenen Website.

 

Der Eishockey-Sport gilt als besonders energie- und flächenintensiv. Wie gehen Sie diese Themen konkret an?

An Ihrer Frage kann man wunderbar unsere derzeitige Herausforderung ablesen. Wir wissen ja noch gar nicht, wie energieintensiv der Eishockeysport, in unserem Fall der professionelle Eishockeysport, ist. Daher erwarten wir mit Spannung die THG Bilanzen inklusive Reduktionsplan unserer Teams. Die Bilanzierung muss nach GHG Standard erfolgen und umfasst Scope­1-, Scope­2- und Teile aus Scope­3 (u.a. An-/Abreise der Fans und Teams) in Verbindung mit dem Spielbetrieb und der Ausrichtung dieser Veranstaltungen während des Kalenderjahrs oder der Saison. Darüber hinaus hat die NH-Kommission weitere Richtlinien und Hilfestellungen zur Bilanzierung entwickelt.

Dieser erste Schritt der Bilanzierung ist aufwendig, aber sehr wichtig. Wenn unsere Teams ihre Ausgangsbasis kennen, dann können sie ihre Ziele und Strategie verfeinern und einen passenden Reduktionspfad entwickeln.

Wie gelingt die Arbeit der Liga mit den Vereinen zu Nachhaltigkeit? Welche Herausforderungen und Hürden gibt es?

Wir hatten von Beginn an die Unterstützung der Geschäftsführung der Deutschen Eishockey Liga und des Aufsichtsrates. Das war die Grundvoraussetzung für unsere weiteres Vorankommen. Wir bauen sehr stark auf interne Kommunikation und haben regelmäßige Austauschformate etabliert. Entscheidend im Tagesgeschäft ist sicher die Stelle des NH-Beauftragten in jedem Club. Die Mitglieder der NH-Kommission bringen sich sehr intensiv ein und stehen den Clubs gerne als Ansprechpartner*innen zur Verfügung. Wir informieren die NH-Beauftragten der Clubs regelmäßig über die Arbeit der Kommission und allgemeine Entwicklungen. Wir unterstützen bei Fragen zur THG Bilanz und Weiterbildungsmöglichkeiten. Leider sind manchmal die personellen Ressourcen in den Clubs etwas limitiert. Wir glauben aber, dass sich die Prozesskette „Strategie -> Berichterstattung -> Etat“ durchsetzen wird, d.h. die wirtschaftliche Relevanz einer nachhaltigen Unternehmensführung immer deutlicher werden wird, und wir u.a. im Bereich Personal Fortschritte machen werden.

 

Nachwuchsförderung ist eine der vier Säulen der DEL-Nachhaltigkeitsstrategie (Foto: Moritz Eden / City-Press GmbH Bildagentur)

 

In der aktuellen Runde des Praxislehrgangs „Nachhaltigkeitsmanager:in Sport“ haben sich gleich 12 Akteur*innen aus dem Eishockey einen Platz gesichert – auch dank Unterstützung der DEL. Wieso setzt die Liga auf strategische Management-Ansätze für Nachhaltige Entwicklung?

Nachhaltigkeit ist für uns keine Pressemitteilung oder Kampagne. Die Clubs der PENNY DEL möchten nachhaltig geführte Unternehmen werden. Für diesen Umbau bedarf es einer handvoll Werkzeuge, die u.a. in dem Praxislehrgang vermittelt werden. Die Inhalte dieses Lehrgangs erschienen uns genau passend und optimal für eine Sportorganisation.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hebel im Sport, um Nachhaltige Entwicklung (im Sport selbst aber auch gesamtgesellschaftlich) umzusetzen?

Ich denke, es wird einen Netzwerkeffekt haben, durch den wir bei der Vermittlung unserer Werte und im Wettlauf gegen den Klimawandel große Fortschritte machen werden. Eishockey soll für die Menschen eine relevante Sportart in Ihrem Umfeld bleiben. Wir möchten Teil der Lösungen der Probleme unserer Zeit sein und dabei möglichst viele Menschen zum Mitmachen motivieren.

Weitere Beispiele, wie Sportorganisationen Nachhaltigkeit umsetzen, findet ihr in unserer Reihe Nachhaltige Vorbilder.

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